Leskovik - Korca
Zwei Tage habe ich nun keinen Blog geschrieben. Ich weiß schon nicht mehr, was heute für ein Wochentag ist. Datum? Was ist das?
Ich bin inzwischen in Orhid und krame also in meinen Erinnerungen und versuche, die 2 Tage auf dem Rad zu rekonstruieren.
In Leskovik übernachtete ich ja zum ersten mal auf dieser Tour allein. Erics und mein Weg trennten sich in Permet. Eric begann, seine Rückreise zu organisieren, ich blickte nach vorn und plante die nächsten Tage - allein on the road. Ist mir nicht ganz leicht gefallen. War es richtig, Eric allein zurück zu lassen? Aber ich konnte ihm doch nicht helfen, treten und fahren musste er schon selbst. Und wenn Kraft und Kondition am Ende nicht reichen, dann muss man auf den Körper hören. Es war die richtige Entscheidung, die Eric traf. Und wenn dann die alten Knochen auch nicht mehr so wollen, gibt es keine Alternative mehr.
Daran musste ich an diesem Tag auf der Strecke nach Korca immer wieder denken.
Es wurde der Tag mit den bisher am meisten gefahrenen Höhenmetern. Nach meinem analogen Fahhradcomputer sollen es rund 1.400 Hm gewesen sein. Es wurde ein ständiges bergauf und bergab, 150m rauf, 100m runter, 250 m rauf 200 m runter. ich habe diese Passagen nicht gezählt. Passstraßen mit Serpentinen und lange Rampen wechelsten sich ab, meist so 5-6% Steigung. Das ging noch gut zu fahren, absteigen musste ich dann in den Spitzkehren, wo es schnell auch 11 oder 13 Prozent wurden. Einmal dachte ich, "Oh, endlich ein flaches Stück" es ging so leicht, da kann ich mich kurz auf dem Rad beim Fahren erholen. Da waren es aber immernoch 3% Steigung und das sah man auch. Ich war selbst überrascht, wie sich die Wahrnehmungen so veschieben können.
Mein erstes Ziel an diesem Tag sollte Erseke sein, genau in der Mitte zwischen Leskovik und Korca. Da wollte ich auch etwas essen.
Kurz vor Erseke ein Unfall - ein LKW und ein SUV begneten sich und schränkten aneinander vorbei. Schnell bildete sich eine Schlangen von Autos, Polizei war auch da. Großes Palaver, Aufregung, Beweisaufnahme, Zeichnungen, Vermessungen - das volle Programm.
Blöd nur, links war ein Abhang, rechts ein Hang. die Herrschaften in den Autos saßen mit laufenden Motoren und Klimaanlage in ihren Autos, ich stand bei 40+ in der Sonne und kam auf beiden Seiten nicht vorbei. Der Dorfpfarrer kam zu mir und zeigte mir einen Schleichweg über den Hang.
Dabei habe ich mir in die Schaltung zwischen die Ritzel über mehrere Umdrehungen die Reste eines Spanngurtes eingefädelt. Das Rad blockierte komplett. Mit dem Taschenmesser konnte ich die Teilstücke rausschneiden und sah damit den kompletten Schaden: Schaltauge verbogen, der gesamte hintere Teil der Schaltung war im A.... Ende der Tour oder irgendwie mit dem Rad bis Korca kommen und eine Werkstatt finden, zusätzlicher Pausentag. Scheisse.
Es vergingen keine 5 Minuten, da hielt neben mir ein Auto mit italienischem Kennzeichen. Auf der Beifahrerseite fragte mich eine junge Frau, ob alles OK sei. Ich sagte "nein" und nuschelte was von Problemen mit dem Rad, ich hatte keine Hoffnung. Sie sah sich das vom Auto aus an, schickte ihren Mann in die Spur, der gleich mit professionellem Fahradwerkzeug kam, die Schaltung fachmännisch zerlegte, hier was bog und dort was richtete, alles zusammenschraubte, die Schaltung neu einstellte und nach einem Probelauf sagte, das alles OK ist und ich weiterfahren könne. Welcher Schutzengel hatte da Dienst? Danke, ich habe so ein Glück gehabt. Damit dürfte mein Kredit auf dieser Tour dann auch aufgebraucht sein.
In Erseke hätte ich gern was gegessen, aber es gab nur Cafés und Bars.
In einem Dorfladen kaufte ich eine Gurke, eine Tomaten und eine Banane. Die Gurke war wie Gummi, die Tomaten von innen angefault. Gut, dass ich mir vom Frühstück in Leskovik ein paar Pancakes mitgenommen hatte. Die Banane wollte ich als Reserve mitnehmen, die ich auch später gut gebrauchen konnte.
Der Ort Erseke - wenn Trostlosigkeit und Perspektivlosigkeit eine Heimat hat, ist es dieser Ort. im Zentrum wurde versucht etwas neu zu gestalten, aber eine Straße weiter zerstört Häuser oder Häuser, die nie fertig gebaut wurden. Die durchaus gut gekleideten Männer sitzen in den Cafés, trinken meist Wasser, kaum Bier und unterhalten sich. Keine Arbeit, kein Geld, keine Zukunft. Es ist traurig.
Ab Erseke fuhr ich etwa für 20 km in einer Hochebene, so etwa auf 1.000 m ü.d.M. Die Bezeichnung trügt etwas, es war nicht flach. Immer wieder Anstiege. Rauf, runter, rauf runter. Aber die hohen Berge rechts und links boten ein grandioses Panorama. Der letzte Anstieg vor Korca war die Krönung an diesem Tag. Es war deprimierend, weit über mir auf der Passstraße die Autos fahren zu sehen, die mich vor ein paar Minuten überholt hatten. Aber die wollen vielleicht woanders lang, dachte ich. War aber nicht so, genau da musste ich auch rauf. Also erneut 250 harte Meter nach oben.
In Korca kam ich so gegen 19 Uhr an. Mein Navi war inzwischen total ausgefallen, hing komplett fest seit Erseke, aber verfahren konnte ich mich auf dieser Strecke nicht.
Korca ist eine Großstadt. Viel Verkehr, viel Gewusel. Ich wusste nur, dass mein Quartier in Zentrumsnähe sein soll. Mehrere Nachfragen waren erfolglos. An einer Straßenecke musste ich eine kleine Pause einlegen und was trinken in einem Straßencafé. Da saßen wieder viele Männer rum, die ich fragen konnte. Dann ging die Diskussion schon los. Alle zückten die Handys und versuchten, die Adresse ausfindig zu machen. Ich bekam eine kleine Zeichnung zur Orientierung mit auf den Weg. Einem Herrn reichte das nicht aus. Er gab Zeichen, dass ich warten soll. Er holte sein Auto und los ging die Fahrt durch die Stadt, mehrere Kreisverkehre, rechts, links, Kreisverkehr ... Ich musste mich sputen, im fließenden Verkehr dran zu bleiben. Und dann war ich da.
Die Unterkunft - sehr speziell. Aber für 10 EUR mit Frühstück verbieten sich jegliche Ansprüche. Die Gastgeberin und ihr Sohn waren sehr nett und ich bekam gleich einen Tee. Radklamotten runter, duschen und sofort los in die Stadt. Im Zentrum eine riesige neue Kirche, so viel Leben in der Fußgängerzone, Familien mit Kindern überall noch um 21.30 Uhr.
In einem der zig Restaurants sass neben mir eine mazedonische Reiseleiterin mit ihrem Busfahrer, die eine deutsche Reisegruppe auf einer Rundreise durch die Balkanländer führen. Vieles auch auf meiner Strecke. Wir hatten ein nettes Gespräch und tauschten unsere Adressen aus.
Mann, war das ein Tag. Müde plumpste ich ins Bett. Kein Blog, nichts mehr heute. Nur noch schlafen. Bilder irgendwann.
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AntwortenLöschenDietmar, auch wenn du jetzt alleine fährst.... du bist es nicht!
Wir sind in Gedanken auf deinem Gepäckträger und fahren mit. (Also nicht wundern wenn die Anstiege so schwer sind...)
Ich wünsch dir weiter gute Fahrt, Leute wie die Italiener gibt es überall, sie sind nur nicht immer da.
Das dir das mit Eric durch den Kopf geht kann ich mir lebhaft vorstellen, bei ihm denke ich wird es genauso sein. Nur er hat die Anstrengungen allerdings auch nicht das faszinierende der Tour vor seinem geistigen Auge.
Alles Gute, bleib gesund. Ich freue mich auf Bericht und Bilder.
Manfred
Ps. 5. Versuch zu schreiben
Auweia das klingt hart....aber der Schutzengel und Helfer und nette Leute soll´s ja immer mal wieder geben.
AntwortenLöschenGute Weiterfahrt und bleib gesund glg S
Toll, was du für Menschen triffst! Da kommen bestimmt noch mehr.
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