Sonntag, 18. August 2019

Vratnica - Prizren


89,5 km
1.367 hm

Eigentlich ist es schon viel zu spät nach diesem anstrengenden Tag, aber wenn ich heute nicht den Blog schreibe, sind alle Emotionen mit dem Nachtschlaf weg.
Vor diesem Tag hatte ich mich etwas gefürchtet. Eine Steigung von fast 950 hm am Stück stand heute auf dem Programm. Das hatte ich noch nie vorher getan.
Aber der Reihe nach.
Nach einem kräftigen Frühstück und einem wirklich netten und inhaltsreichen  Gespräch mit dem Vermieter fuhr ich um 9 Uhr los. Nur für die Fakten: ich startete auf einer Höhe von 715 m.
Heute sollte die Grenze zum Kosovo überschritten werden, das vierte Land auf meiner Tour. Ich war sehr gespannt und voller Erwartungen.
Bis zu Grenze war es ja nicht mehr weit. Die Grenzkontrollen auf beiden Seiten verliefen ohne Probleme. Der Gesichtsausdruck der Grenzer war auch diesmal wieder so eine Mischung aus Bewunderung und Mitleid. Oh Gott, mit dem Fahrrad! Kannst du dir kein Auto leisten?
Und dann folgte zur Einstimmung auf den heutigen Tag der erste kleine Anstieg bis auf eine Höhe von 1.093 m, die um 11:10 erreicht war. Zeit für einen Cappuccino auf der Passhöhe in netter Gesellschaft von 3 kosovarischen Herren.
Dann folgte eine rasante Abfahrt bis auf 593 m bei km 29,5, aber so richtig freuen konnte ich mich nicht, denn ich wusste, das muss ich alles wieder nach oben fahren. Trotzdem hat es Spass gemacht.
Und dann hatte ich die Idee, dass ich mal den Streckenverlauf für mich und auch fur euch Mitleser dokumentiere. Nur heute, für diesen besonderen Tag.
Und das sieht nun so aus:
Zeit         Höhe    km-Stand
09:00       715        0,0
11:10    1.093      15,0
12:10       593       29,5
12:45       690       35,0   pinkfarbener Trabi
14:40       950       50,0   
14:55    1.000       51,7
15:10    1.055       52,7
15:17    1.102   
15:30    1.171       55,1    netter Plausch mit einer Familie aus Prizren
16:00    1.252       56,6     
16:10    1.327       57,8
16:20    1.350       58,2     kleine Pause 
16:40    1.398       59,2
16:55    1.464       60.5
17:04    1.515       61,0     Passhöhe erreicht, noch 25 km bis Prizren

Man kann ganz gut erkennen, dass ich mit einem gleichmäßigen Tempo hochgefahren bin. Wer will, kan sich nun die entsprechenden Steigungen selbst ausrechnen. Ich glaube, dass man konditionell und kraftmäßig in der Lage sein muss, durchgängig, ohne an seine Grenze gehen zu müssen und für eine lange Zeit, Steigungen von 4 % fahren können muss. Dann verkraftet man auch gut Abschnitte, wenn es mal steiler wird. Das mag so vielleicht nicht für jeden stimmen, ist aber meine ganz persönliche Erfahrung.
Ich hatte mir den Plan zurecht gelegt, etwa alle 50 hm einen Stop einzulegen, gar nicht erst vom Rad abzusteigen, etwas zu trinken, tief Luft zu holen und nach max. 1-2 min. weiter zu fahren. Längere Pausen bringen mich nur aus dem Rhythmus. Das ging ganz gut. Am Ende war ich froh, es aus eigener Kraft und nur fahrend, ohne zu schieben, geschafft zu haben.
Aber ganz ehrlich, ich hätte auch noch 100/200/300 Höhenmeter mehr geschafft, aber dann hätte ich ein Zeitproblem bekommen, bei Tageslicht in Prizren anzukommen.
Die Fahrzeit Netto betrug nur 6 Std. und 27 Minuten. Davon war ich selbst überrascht.
Die Länge der Pausen ist also ganz entscheidend dafür, wann man das Tagesziel erreicht.
Die Fahrt war so unbeschreiblich schön, die Landschaft, die Berge, die Wildpflanzen an den Straßenrändern. Und die Berge im Kosovo sind alle so grün, das ganze Gegenteil zu den Bergen in Albanien. So schön hatte ich mir das hier nicht vorgestellt, es war traumhaft schön.
Unterwegs sah ich schon von weitem einen pinkfarbenen Trabi am Straßenrand stehen. Da musste ich anhalten! Ein völlig abgefahrener Typ hat einen Golfmotor eingebaut, der mit Autogas fährt, einfach so, aus Hobby. Ansonsten baut er Blaubeeren an und exportiert diese nach Österreich.
Die beiden Jungs auf dem Bild begleiteten mich ein ganzes Stück mit ihren Rädern. Ich ließ ihnen die Freude , dass sie schneller waren als ich und vor mir her fuhren.
In der Gegend hier, leben sehr viele Albaner, meist Moslems. Überall wehen auch albanische Fahnen. Im Angedenken an die im Kosovokrieg 1999 gefallenen Kämpfer der UCK sah ich unterwegs auch einige Gedenkstätten.
Auf der Passhöhe, Ausgangspunkt für ein Wintersportgebiet, herrschte richtig viel Betrieb. Familien mit Kindern und viele junge Leute lagen in der Sonne, Kinder ließen  Drachen steigen, es wurde gegrillt, es gab viele Marktstände, Hotels, Bars usw.
Ich genoss diese einzigartige Atmosphäre mit einem alkoholfreien Bier. Gegen 18 Uhr machte ich mich auf den weg nach Prizren. Von 1.515 m rnzer auf 384 m. Diese Abfahrt werde ich nie vergessen. Ich fuhr wie im Rausch, 25 km ohne zu treten und mit oft deutlich mehr als 40 kmh. Klar muss man sich dabei sehr konzentrieren und schaut mehr nach vorn als nach rechts und links. Daher legte ich auf ein paar Fotostops ein. In einem kleinen Ort bei der Abfahrt kam die gesamte Autoschlange zum Stehen. 2 Kühe wollten absolut nicht in ihren heimischem Stall, versperrten die Fahrbahn, liefen auf die Autos zu, kackten auf die Straße, rannten auch mal ein Stück in die entgegengesetzte Richtung oder auf den Fußweg. Es war zum Brüllen und alle amüsierten sich.
Höhepunkt war dann noch die Fahrt durch eine ganz enge Schlucht.
19 Uhr war ich in Prizren und habe dann 45 Minuten in dem Gewusel der Stadt mein Hotel gesucht.
Nun bin ich im Kosovo! Stand nie auf meiner Liste der Länder, die ich gesehen haben muss. Muss man aber. Ich bin so froh, hier zu sein, mit dem Fahrrad, aus eigener Kraft! Wow!
Bilder gibt es morgen, also nochmal reinschauen. Jetzt werde ich gut schlafen können. Es war ein sensationeller Tag.






Hohe Fahrbahnkanten - immer wieder gefährlich


Trabi mit Golfmotor



Den Straßenschildern kann man auch im Kosovo entnehmen, wer hier das Sagen hat. Hier wurde ich aber nicht gaz schlau draus.

Überall wird hier Honig verkauft. Die Gegend ist bekannt dafür.


Picknick mit der Familie, überall dort, wo es schön ist.

Auf der Passhöhe angekommen

Es war sehr viel los hier oben. Ich genoss die Sonne.
Beim Aufstieg in den schattigen Abschnitten waren es manchmal nur noch 18 Grad und mir war kalt.







Muss ich hier noch was beschreiben?
Es war einfach nur schön.


Kühe auf der Straße - wie in Indien.


Abfahrt durch die Schlucht. Ein aufregendes Erlebnis.
Für mich ein radsportlicher Höhepunkt. Die Sonne kam hier nicht mehr hin und es war durch den Fahrtwind schweinekalt. Ich hatte alle warmen Sachen an, die ich finden konnte.






Mann war das ein Tag! Und am Ruhetag wird Prizren erkundet.

4 Kommentare:

  1. Wieder ein super Leistung! Ich glaub du hast Heute ein Ruhetag?

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  2. Was wieder ein Abentuer…. Und wieder gesund angekommen. Viel Erfolg

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  3. Moin Dietmar

    Ich bin begeistert!!!!!!

    Wenn du wieder mal eine Tour planst und dabei nur Bergabfahrten sind... dann bin dabei

    Manfred

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  4. Lieber Dietmar, viiiielen Dank, dass du dir soooo viiiel Mühe für uns machst und jeden Abend so tolle Berichte und super Bilder mit entsprechenden Bildunterschriften für uns verfasst, und wir so an deiner Reise teilhaben können ....Einfach klasse und wieder Waaahnsinns Bilder!!!!
    p.s. also ich würde ja sagen, dass der Trabbi eher fliederfarben bzw. lila ist ;) lg S.

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